„Wie, du schreibst? Ist das nicht furchtbar langweilig?“ Wenn ich für jedes Mal, in dem ich diese Frage gestellt bekam, einen Euro bekommen hätte, hätte ich mir meine Bewerbung bei „Wer Wird Millionär“ sparen können, weil ich mir meine Londoner Traumwohnung auch so finanzieren könnte. Wir alle haben unterschiedliche Leidenschaften, unterschiedliche Werte, Sympathien und Antipathien. Und so, wie ich nicht verstehen kann, was andere Menschen an Jutebeuteln oder Komasaufen so toll finden, gibt es auch einige Dinge, die meine Nicht-Schriftsteller Mitmenschen nicht begreifen.
Man zieht das Schreiben einer rauschenden Party vor
Gut, das könnte jetzt auch eine meiner generellen Charaktereigenschaften sein. Wer mich kennt, weiß, dass ich das seltsame Mädel bin, das sich auf einer Party, auf der 1000 Menschen sind, mit dem Hund unterhält. Und das, wenn kein Hund da ist, auch mit sich selbst gut klarkommt und lieber unauffällig in ihren unter der Jacke reingeschmuggelten Kindle linst, als sich mit jemandem zu unterhalten. Das liegt daran, dass ich mir auf 9 von 10 Partys wünsche, wieder zuhause zu sein, vor meinem Laptop und einer heißen Tasse Tee zu sitzen, meinen Charakteren noch mehr Leben einzuhauchen und sie die Party feiern zu lassen, von der ich mich gerade davon geschlichen habe. Natürlich sind nicht alle Schriftsteller solche sozialen Katastrophen wie ich, aber ich traue mich zu wetten, dass die meisten, die gerade an einem Werk arbeiten, dies auch lieber tun würden, als zwischen verschwitzten Körpern herumgeschubst und mit Alkoholfahnen geruchsbelästigt zu werden.
Man muss alles verwenden
Wer mit Schriftstellern spricht, muss doppelt aufpassen, was er sagt. Wir haben ein bombastisches Gedächtnis für intelligente, lustige und doofe Sprüche und Taten und speichern alles, was wir gut finden, in unserem hirninternen Notizzettel ab. Und irgendwann liest jemand unsere Texte und findet sich auf wundersame Weise darin wieder. Meine Freunde können ein Lied davon singen und für sie ist es nicht immer angenehm. Aber in diesem Punkt kann ich schwer aus meiner Haut, auch wenn ich mich schon deutlich gebessert habe und nicht mehr mein Zitatebuch mit mir herumschleppe, in das ich früher alle Sprüche eingetragen habe. Ich meine so etwas auch nie böse, eher ist es ein verstecktes Kompliment. Ich will damit sagen: „Hey, das was du da gesagt oder getan hast, ist so cool, dass ich es einfach niederschreiben und für die Außenwelt zugänglich machen musste, weil es eine Verschwendung wäre, das nicht zu tun!“
Man will Feedback, aber fürchtet sich davor
Egal, ob es ein Buch, ein Gedicht oder nur eine Kurzgeschichte ist – wer Leidenschaft fürs Schreiben empfindet, der will seine Sache auch gut machen. Ich bin jedes Mal nervös, wenn ich jemandem eines meiner Schriftstücke zum Lesen gebe, vor allem, wenn ich ihnen dann auch noch beim Lesen zusehen muss. Besonders schlimm ist es, wenn man mit der lesenden Person im Auto sitzt und sich nicht mit vorgetäuschtem Magen-Darm-Virus aufs Klo schleichen kann. Das Herz rast und der Blick wandert immer wieder zum Leser, man studiert und analysiert seine Mimik aufs Genaueste und registriert jedes einzelne Stirnrunzeln und jedes noch so angedeutete Lächeln. Denn es ist uns wichtig, was ihr über unsere literarischen Ergüsse denkt – und gleichzeitig haben wir Angst davor.
Man offenbart seine tiefsten Gefühle beim Schreiben
Einer der schlimmsten Momente in meinem Leben war, als ich als Teenager mit meinem grauen, mit Edding selbst bemalten Ringbuch in der Schule saß, Musik hörte und mir dabei meine Gedanken und Gefühle von der Seele schrieb – und dann eine Klassenkameradin zu mir kam und mir mit den Worten „Hey, was schreibst du denn da Schönes?“ das Buch aus der Hand zu nehmen versuchte. Ich war bis dato nie durch aggressives Verhalten aufgefallen, doch in diesem Moment war ich bereit zu kämpfen – weil ich eben nicht bereit war, jemandem diese so persönlichen Gedanken anzuvertrauen. Selbst, wenn man eine Story schreibt, die auf den ersten Blick nicht autobiografisch ist, so sagt der Hauptcharakter doch immer auch etwas über den Autoren aus – entweder darüber, wie er selbst ist, oder darüber, wie er gerne sein würde. Also zeigt bitte Verständnis, wenn euch jemand seine Texte nicht lesen lassen möchte 😉
Man benutzt Freunde und Bekannte als Charaktere
Manchmal höre ich anderen Menschen beim Reden zu und denke mir plötzlich: „Du wärst eine gute Tina.“ Oder Amy. Oder irgendein anderer Name meiner Wahl. Tatsächlich sind einige meiner Charaktere den Menschen nachempfunden, die ich auch privat kenne und mehr oder weniger ausreichend beobachtet habe. Manchmal tragen sie in den Geschichten sogar ihre richtigen Namen. Meine Freundin Chrissi wird zum Beispiel auch namentlich in meinem Buch erwähnt, da ich mir für sie einfach keinen besseren Namen vorstellen kann. Meistens greife ich aber doch auf Pseudonyme zurück. Vor allem die, die nicht so gut wegkommen, sollen ja nicht sofort merken, dass sie gemeint sind.
Schriftsteller sind ein eigenes Volk. Aber genau das sind auch Lehrer, Physiker, KFZ-Mechaniker oder Opernsänger. Oder die Leute auf der Geiwi, die sich denken: „Ich stehe hier einfach mal mitten im Gang rum und blockiere den Weg, das stört sicher niemanden.“ Fakt ist: Andere Menschen sind einfach seltsam. Und genau das macht die menschliche Rasse wiederum so interessant. Ich hoffe, ich konnte euch einen kleinen Einblick in die Eigenarten von (angehenden) Autoren geben. Natürlich erhebe ich, wie immer, keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder auf Allgemeingültigkeit.
Eure Julie,
Die mit dem roten Lippenstift
Äquilibrist
• 8 Jahren agoHi,
ich lass das mit der Party einfach gleich ganz, da muss ich mir erst gar kein Buch suchen;) Kann dich also verstehen;)
LG, Monique
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoSehr klug 😀 ich lass es meistens auch einfach sein, aber manchmal geh ich halt doch mal mit 😀
LG Julie
tragischmagisch
• 8 Jahren agoDas mit den blöden Fragen kenne ich, leider. „Was? Du hast einen Blog? Wie einfallsreich…“. Meiner Meinung nach sollte jeder machen, was er will. Außerdem liebe ich es deine Beiträge zu lesen, da man wirklich merkt, dass du mit ganzen Herzen dabei bist und Talent hast. Mach unbedingt weiter so!
Ganz, ganz liebe Grüße, Sabrina von tragischmagisch
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoDanke liebe Sabrina, das ist das schönste Kompliment für mich 🙂
Ich finde auch, dass jeder machen sollte, was er mag, solange andere dabei nicht zu Schaden kommen – und so ein Blog tut doch wirklich keinem weh, deshalb verstehe ich die Kritik daran nicht wirklich 🙂
jimmynovakin
• 8 Jahren agoKenne ich sehr gut. Von den Partys, bis zu dem unangenehmen Gefühl von Bekannten gelesen zu werden und dann auch noch das Merken von höchst merkwürdigen Details 😉
Erst gestern erzählte mir ein Kumpel von seinem Kollegen, der trotz einer Nussallergie Pistazien liebt und deshalb jeden Monat fast stirbt, weil er sich eine ganze Packung reinzieht. Selbstverständlich etwas übertrieben, aber höchst unterhaltsam – für meine Story ist sowas Gold wert 😀
karinhold
• 8 Jahren agoes ist wirklich amüsant, was an Kommentaren kommt bei der Erwähnung der Tatsache, dass man schreibt. ‚Hast du schon was veröffentlicht?‘ steht ziemlich weit oben auf der Top10 Liste der *zensiert* Kommentare. Wer Musik macht oder malt, wird ja auch nicht nach Auftritten oder Ausstellungen gefragt… 😉
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoJa voll 😀 die Frage kommt so gut wie immer, ist ein guter Punkt 😀
Liebe Grüße,
Julie
Carina
• 8 Jahren agoHallo Julie,
ich kann dich so gut verstehen. Ich bin eine Leseratte und wenn ich ein gutes Buch in der Hand habe, lege ich das nur ungern aus der Hand. =)
Das hat meine Mutter damals ziemlich genervt, aber ich lese auch lieber Bücher als auf einer Party zu sein, wo mich eh niemand eines Blickes würdigt oder nur die ekeligen Typen.
Ich habe mich früher nie getraut eigene Texte zu verfassen und die öffentlich zu stellen, weil ich aufgrund meiner Lehrer dachte, ich sei schlecht. Aber mittlerweile hat sich das gelegt und es erscheinen regelmäßig Beiträge auf der Webseite meines Schützenvereines (http://www.schuetzen-laakirchen.at). Jedoch die Möglichkeit Kommentare da zu lassen, muss ich noch einbauen. =)
Danke für den tollen Beitrag, war herrlich ihn zu lesen. Bitte so weiter machen!
Liebe Grüße,
Carina.
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoHallo liebe Carina,
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Ich finde es toll, dass du dich jetzt traust, deine eigenen Texte zu schreiben und auf deine Lehrer zu sche****, die haben nämlich auch nicht immer recht 😉 da muss ich bald mal vorbeischauen 🙂
Liebe Grüße, Julie
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoHallo liebe Carina,
Ich finde es toll, dass du dich nun traust, deine eigenen Texte zu schreiben und auf deine Lehrer zu sche**** 😉 ich bin mir sicher, deine Texte sind toll, aber ich werde mich bald selbst davon überzeugen und dir dann nen Kommentar da lassen, wenn es geht 🙂 sag mir doch, wenn das mit der Funktion geklappt hat! Danke für deinen Kommentar!
Liebe Grüße, Julie
Carina
• 8 Jahren agoHallo Julie,
das könnte noch ein bisschen dauern bis die Kommentar-Funktion eingebaut ist. Muss leider dazu die gesamte Webseite ein wenig umbauen, da diese derweil statisch und nicht dynamisch aufgebaut ist.
Aber werde mich melden, sobald es möglich ist. =)
Liebe Grüße,
Carina.
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoOh okay ? ja dann viel Erfolg dabei und sag Bescheid 🙂
Liebe Grüße und schönen Nikolaustag 🙂
Carina
• 8 Jahren agoDanke dir auch!
Sadi
• 8 Jahren agoIch bin zwar keine Schriftstellerin liebe Julie, obwohl ich mehrere Geschichten schon zum Druck bereit hätte (200 Seiten + Schriftgröße 12, also ernst gemeint 😉 ) und doch erkenne ich mich in deinem Text zu 100% wieder.
Ich bin auch eher partyfaul, eher ziemlich viel. Viel lieber bin ich zuhause vor dem TV, eingehüllt in einer warmen, kuscheligen Decke beim sich fragen, ob man nicht doch hätte vielleicht hingehen sollen. Mein überragender Sinn für den bequemsten Lebensstil versichert mir allerdings immer, dass zuhause bleiben und chillen das Beste ist. (Ist es sicher nicht immer 🙂 ).
Meine Texte sind auch wahnsinnig persönlich und daher gebe ich zu, dass ich auch schnell übertrieben beleidig reagiere wenn sie kritisiert werden. Schließlich sind sie ein bisschen wie mein Baby. Und zum Schluss: bei mir sind auch immer sehr viele Freunde und Bekannte Opfer meiner Textfiguren geworden 😀
Das ist irgendwie auch ziemlich unterhaltsam 🙂
Alles Liebe, schöner Beitrag!
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoDanke dir 🙂
Warum veröffentlichst du deine Geschichten denn nicht? 🙂
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viel man mit fremden Menschen gemeinsam haben kann 😀
Alles Liebe und vielen Dank 🙂
Sadi
• 8 Jahren agoHaha danke für den netten Ratschlag 🙂 Naja, als ich die längste und (in meinen Augen) tiefgründigste Geschichte geschrieben habe, war noch das Jahr 2013. Jetzt ist 2016 und ich bin immer noch nicht ganz fertig mit überlesen usw.
Außerdem habe ich oft angst, dass die Geschichte 1. die Leute etwas entsetzen könnte, weil sie sehr emotional ist und 2. vielleicht manchmal zu kindisch geschrieben wirkt. Aber oft ist halt die einfache Sprache die ehrlichere.
Ich überleg es mir aber trotzdem 🙂
Danke für die lieben Worte und auch ich bin erstaunt, wie viele Gemeinsamkeiten man oft mit fremden Menschen haben kann.
Alles Liebe und schönes Wochenende!
diemitdemrotenlippenstift
• 8 Jahren agoHmm das verstehe ich. Aber schön, wenn du es dir überlegst 🙂