In Personal

Ich habe mich verliebt …

„… aber nicht in einen Mann, Baby, nein, es war der Beat“, würde meine Lieblingsrapperin Juju (beste Frau!) diesen Satz beenden. Bei mir ist es ähnlich. Bei mir war’s zwar nicht die Musik, weil ich nach wie vor nur betrunken singen kann (zumindest bin ich davon nach drei Gläsern Wein felsenfest überzeugt und mein Umfeld ist es dann irgendwie auch – ob es deswegen ist, weil ich tatsächlich Talent habe oder weil sie ebenfalls besoffen sind, lasse ich mal dahingestellt), aber es hat auch mit einem Mikrofon zu tun.

 

Ich mach jetzt Stand-up-Comedy

Der oder die eine oder andere hat es wahrscheinlich schon mitbekommen: Ich bin unter die Comediennes gegangen. Ist schon ein bisschen länger her, tatsächlich bald ein Jahr, aber ich habe mich hier noch nie so wirklich dazu geäußert, sondern es höchstens in einem Nebensatz erwähnt. Größtenteils deswegen, weil ich mir gedacht habe: Heast, Julia, so lang machst du das jetzt auch noch nicht, kein Grund, das jetzt als Teil deiner Persönlichkeit zu deklarieren.

Sehe ich mittlerweile anders. Mittlerweile ist Comedy tatsächlich ein Teil meiner Persönlichkeit. Ein sehr großer sogar. Wenn nicht sogar der größte.

Und es tut mir im Herzen weh, dass ich gerade schon wieder nicht auf der Bühne stehen und Leute zum Lachen bringen darf, weil Lachen eigentlich genau das wäre, was wir gerade bräuchten. Kann man ja leider nicht ändern. Aber wenn ich schon nicht auf der Bühne stehen darf, kann ich zumindest darüber schreiben.

 

Ich hab Lampenfieber

Wenn man mir vor einem Jahr erzählt hätte, dass ich mal gerne auf einer Bühne stehen und Witze erzählen würde, hätte ich wohl einen hysterischen Lachanfall bekommen, der dann irgendwann in einem Heulkrampf geendet wäre. Fakt ist nämlich: Ich hatte sehr lange Zeit extremes Lampenfieber. Dennoch war da immer eine kleine Rampensau in mir, die immer mehr an die Oberfläche wollte.

Und deshalb habe ich vor ziemlich genau einem Jahr auch den Entschluss gefasst, es mit Comedy zu probieren – singen kann ich ja, wie schon erwähnt, nicht, aber Witze erzählen konnte ich eigentlich immer ganz gut. Deshalb habe ich einer Freundin geschrieben, ob sie mich mal auf ein Open Mic begleiten würde.

Außer ihr habe ich es niemandem erzählt und habe mir still und heimlich ein Open Mic in Wien auf Facebook rausgesucht und mich um einen Spot beworben. Das klingt jetzt einfach, aber ich hatte in meinem Leben noch nie so ein Herzklopfen. Als ich „Spot bitte“ in diese Veranstaltung gepostet habe, saß ich danach einfach nur vier Stunden in meinem Bett und habe an die gegenüberliegende Wand gestarrt und mich gefragt, was zur Hölle ich da nur getan habe.

 

Der 16. Dezember 2019

Ich habe mir nicht ohne Grund den 16. Dezember 2019 für mein Bühnendebüt ausgesucht: Am darauffolgenden Tag war die Weihnachtsfeier meiner Firma und ich dachte mir, wenn es gut läuft, kann ich danach richtig beschwingt zur Feier gehen und wenn es peinlich wird, gibt es keinen besseren Tag zum Frusttrinken.

Ich erfuhr erst relativ spät, dass ich einen Platz bekommen habe – davor war ich im emotionalen Zwiespalt, ob ich einen bekommen wollte, damit ich es hinter mir habe oder ob ich noch eine Schonfrist brauche. Aber ich bekam den Spot und war so aufgeregt, dass ich den ganzen Tag nichts essen konnte und ständig das Gefühl hatte, mich gleich übergeben zu müssen.

Das Gefühl besserte sich auch nicht, als ich viel zu früh am Ort des Geschehens auftauchte und eine Zigarette nach der anderen weginhalierte. Die Location erinnerte sehr an ein ehemaliges Bordell und es war kaum jemand da. Ich versuchte, mir mit meiner Freundin Mut anzutrinken, aber ich wurde auch nach drei Gläsern Wein einfach nicht betrunken und nicht mutiger. Entsprechend zittrig ging ich auf die Bühne und hatte keine Ahnung, wie man so ein Mikrofon richtig hält und so rein spricht, dass man mich auch versteht und wenn ich es doch mal richtig gemacht habe, habe ich mich regelrecht erschrocken.

Und der Auftritt selbst lief … überraschend gut. Meine Freundin, die mich begleitet hat, meinte zum Schluss, ich hätte sogar die meisten Lacher gehabt – auch wenn ich wahnsinnig nervös war und mich ein paar Mal verhaspelt habe.

Fun Fact: Es existiert ein Video von diesem Auftritt und ich habe mich erst jetzt getraut, es anzusehen. Und ich wollte mein altes Ich einfach nur umarmen und ihm sagen, dass alles gut wird, weil es klang, als würde es gleich weinen.

 

Das fehlende Puzzleteil

Ich weiß noch, wie ich von der Bühne runter gegangen bin, den Applaus der ungefähr fünf Leute, die an diesem Abend da waren, gehört habe, und gespürt habe, dass es der Beginn von etwas ganz Großem war. Auch wenn ich mir sicher war, dass ich diesen Auftritt nicht so schnell wiederholen würde, weil es doch eine absolute Grenzerfahrung war, war mir klar, dass es nicht mein letzter Auftritt gewesen sein sollte.

Im nächsten Jahr versuchte ich es wieder und seitdem war ich süchtig. Ich fing an, nur noch in Punchlines zu denken, Gespräche mitzuhören und aufzuschreiben, wenn jemand etwas Lustiges sagte, das man auch nur ansatzweise verwenden könnte. Ich lernte schnell dazu und bekam auch gleich extrem viele Chancen auf dem Silbertablett serviert, wurde zu Mixshows eingeladen und bekam auch ein bisschen Geld dafür.

Bei meinem vierten Auftritt lernte ich meinen heutigen Co-Moderatoren Clemens Kafka von Und Punkt kennen. Die Vibes zwischen uns passten sofort und er fragte mich einen Tag später, ob ich das Vorprogramm von seinem Solo machen wollte – heute sind wir beste Freunde und mit Lorenz Hinterberger ein unschlagbares Dreiergespann. Zu dritt haben wir eine eigene Show namens Chips&Comedy (sofern sie bald wieder starten darf) und eine eigene YouTube-Serie produziert – und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich etwas gefunden, von dem ich sagen kann: Ja, das ist es jetzt.

 

Das ist es jetzt.

Comedy hat ein Loch in meinem Herzen gefüllt, von dem ich bis dahin nur ahnte, dass es existierte. Es hat mir etwas gegeben, für das es sich morgens aufzustehen lohnt. Ja, es bereitet mir schlaflose Nächte. Sehr viele sogar. Aber ich genieße jede einzelne davon und wenn ich auf der Bühne stehe und die Leute über einen Joke lachen, den ich stundenlang ausformuliert habe, dann ist es das einfach wert.

Ich vermisse es unglaublich. Ich vermisse die Bühne, die Aufregung, das Quatschen mit den anderen Comedians und das Lachen der Menschen. Ich weiß nicht, wann ich das das nächste Mal erleben darf, aber ich zähle jetzt schon die Tage.

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