In Column

Es ist nicht die Länge meines Rocks

Es ist das „harmlose“ Hinterherpfeifen auf der Straße. Es ist der Griff auf den Hintern, der ja absolut unabsichtlich passiert ist. Es ist das unangenehme Gefühl, dass einem das Gegenüber mehr auf die Brüste, als in die Augen sieht. Manchmal ist es auch der eigene Freund, der verspricht, „ganz vorsichtig“ zu sein, bevor er sich über die ihm gesteckten Grenzen hinwegsetzt. Sexuelle Belästigung und sexueller Missbrauch haben viele Gesichter. Eines ist hässlicher, widerlicher und feiger als das andere. Und all diese Gesichter werden viel zu selten an den Pranger gestellt.

Sexuelle Belästigung in Österreich: Daten und Fakten

2011 veröffentlichte das Österreichische Institut für Familienforschung (ÖIF) die „Österreichische Prävalenzstudie zur Gewalt an Frauen und Männern“. Die Ergebnisse sind erschreckend. Drei Viertel aller Frauen haben demnach bereits sexuelle Belästigung erlebt und nahezu ein Drittel hat sexuelle Gewalt erfahren. Man darf davon ausgehen, dass die Dunkelziffer noch höher liegt. Dabei sind die Täter fast ausschließlich männlich und kommen zum größten Teil aus dem Bekanntenkreis.

Noch schlimmer als diese Zahlen ist es für mich, die Verurteilungsquote zu sehen. Wenn man sich ansieht, wie wenige angezeigte Vergewaltiger für ihre Tat verurteilt werden, ist es für mich persönlich kein Wunder, dass immer weniger Taten zur Polizei gebracht, sondern durch Selbstjustiz vergolten werden wollen. Die Verurteilungsquote lag in den letzten Jahren selten über 10 Prozent. Aber Hauptsache, wir müssen unsere geschriebene Sprache durch ein Binnen-I verschandeln, weil sich Frauen ansonsten diskriminiert fühlen könnten. Ich als Frau fühle mich nicht dadurch diskriminiert, dass von Studenten anstatt Studierenden oder StudentInnen die Rede ist. Ich fühle mich dadurch diskriminiert, dass Männer, für die es okay ist, sich an Frauen zu vergehen, durch solche Urteile in ihrem Verhalten bestärkt werden.

Victim Blaming – ein Teil des Problems

Ein Punkt, der mir auch immer wieder besonders sauer aufstößt, ist Victim Blaming. Wenn sich eine Frau dazu äußert, belästigt worden zu sein, wird sie entweder mit einem „Ist doch nicht so schlimm, der meint das nicht so“ abgewertet, oder ihr wird gleich die ganze Schuld in die Schuhe geschoben. Der Rock war zu kurz, der Ausschnitt zu tief, die High Heels zu hoch, und Alkohol hat sie schließlich auch noch getrunken. Warum leben wir in einer Gesellschaft, in der die Schuld für solche grausamen Taten bei den Frauen gesucht wird? Sind wir nicht mittlerweile so aufgeklärt, zu wissen, dass das nicht der Fall ist? Kein Mann wird gezwungen, sich an einer Frau zu vergehen. Es sind die Frauen, die gezwungen werden, das zu ertragen. Warum wird also jungen Mädchen beigebracht, wie sie sich zu verhalten und zu kleiden haben, anstatt dass den Jungs klargemacht wird, dass sie Frauen mit Respekt zu behandeln haben?

„Die wollte es doch so“, lese ich immer wieder in den sozialen Netzwerken. „Wenn man so herumläuft, ist das ja kein Wunder.“ Ich will diesen Menschen immer mit voller Wucht ins Gesicht schlagen und ihnen daraufhin sagen, dass sie das mit ihrem blöden Kommentar provoziert hätten und es ja so wollten. Aber dann hätte ich eine Anzeige am Hals und das will ich auch nicht. Deshalb versuche ich nun, verbal aufzurütteln, denn das ist meiner Meinung nach dringend notwendig.

Sehen wir uns doch mal ein paar der Folgen an, die ein sexueller Übergriff, egal welches Schweregrades, haben kann: Essstörungen, Drogen- und Alkoholprobleme, vermindertes Selbstwertgefühl, gestörte Beziehungen, Depressionen, bis hin zum Suizidversuch. Klingt doch nach etwas, das sich jeder Mensch wünscht, oder? Also, liebe Victim-Blamer: Erst nachdenken, dann sprechen. Oder lieber einfach komplett den Mund halten.

Liebe Frauen: Schuld ist nicht die Länge eures Rocks, es ist nicht die Tiefe eures Ausschnitts und es ist auch nicht der Alkohol, den ihr getrunken habt. Schuld daran ist ausschließlich der Mann, der sich entschieden hat, ein Arsch zu sein und sich an euch zu vergehen. Solange ihr nicht ausdrücklich gesagt habt: „Ich will jetzt vergewaltigt werden“, trifft euch keine Schuld. Punkt.

Nein heißt Nein!

An sich leben wir in einer Bildungsgesellschaft. Wir lernen in der Schule, wie man den Umfang der Sonne berechnet. Wir können eine Gedichtsanalyse in fünf Sprachen schreiben. Und dennoch scheinen einige nicht zu verstehen, welche Bedeutung hinter dem kleinen Wort „Nein“ steckt. Ich sehe es problematisch, dass Frauen zugeschrieben wird, dass ein Ja eigentlich Nein bedeutet, ein Vielleicht ein Ja ist und ein Nein ein Vielleicht. Denn in diesem Punkt gibt es nichts zu diskutieren. Nein heißt nein. Auch, wenn man die Frau kennt und weiß, dass sie auch erstmal nein sagt, wenn man ihr Chips anbietet, und schließlich aber doch beherzt zugreift. Wenn einem Grenzen gesetzt werden, hat man diese zu respektieren.

Du bist niemandem etwas schuldig!

An dieser Stelle möchte ich auch eine Lanze für die zahlreichen lieben, anständigen Männer auf diesem Planeten brechen. Ihr seid super, bleibt wie ihr seid! Es kann nie genug von eurer Sorte geben!

Warum ich das nun anspreche: Letztens habe ich von jemandem gelesen, der eine Frau zum Essen eingeladen hat, die dann schlussendlich dachte, dass er sich deswegen Sex erwartete, weshalb sie sich dazu genötigt gefühlt hat, obwohl er gar nicht darauf aus war. Somit haben wir eine Frau, die sich schlecht fühlt, und einen Mann, den aber keine Schuld daran trifft, und der nun ein ebenso schlechtes Gewissen hat. Blöde Situation.

Liebe Frauen: Ihr seid keinem Mann etwas schuldig. Wenn er euch zum Essen einladen möchte, darf er das gerne tun, aber ihr habt dadurch keinen Vertrag unterschrieben, dass ihr im Gegenzug mit ihm ins Bett gehen müsst. Und selbst, wenn es zu einem solchen Vertrag gekommen sein sollte, ist dieser nicht rechtskräftig, weil er gegen die guten Sitten verstößt. Ha, ich habe auf der Uni doch noch was Nützliches gelernt!

Du darfst jederzeit Grenzen setzen!

Und noch ein Punkt, der häufig diskutiert wird, ist die Frage des Zeitpunkts. Häufig wird in puncto Victim Blaming auch kritisiert, dass man ja vielleicht schon beim Täter zuhause war. Na und? Man darf sich doch alles anders überlegen. Man kauft ja auch hin und wieder mal Schuhe und stellt dann zuhause beim Eintragen fest, dass sie einem doch nicht gefallen und dass sie eigentlich sogar wehtun. Dann zieht man die Schuhe doch auch einfach aus, versucht sie zurückzugeben oder verkauft sie weiter, anstatt sich unnötig zu quälen. Da sieht auch niemand ein Problem. Und nur, weil man die Wohnung von jemandem betreten hat, heißt das noch lange nicht, dass derjenige wie ein wildes Tier über einen herfallen darf. Selbst, wenn man schon nackt nebeneinander liegt und es sich einer dann plötzlich anders überlegt, ist das noch in Ordnung. Es ist euer Körper, und damit ist es eure Entscheidung. Ihr dürft jederzeit Grenzen setzen! Traut euch das auch, denn sonst fühlt ihr euch nur schlecht. Das gilt übrigens auch für die Männer. Jeder soll das Recht haben, zu entscheiden, was mit seinem eigenen Körper passiert.

Nun habe ich mich etwas in Rage geschrieben, aber ich finde, dass dieses Thema viel zu wenig öffentlich diskutiert wird. Häufig wird es nicht angesprochen, weil sich Opfer schämen. Aber ich verrate euch etwas: Nicht die Opfer müssen sich schämen, sondern die Täter!

Eure Julie,

Die mit dem roten Lippenstift

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Posted on 18. Januar 2018

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3 Comments

  1. Armita
    7 Jahren ago

    Liebe Julie. Danke für deinen Beitrag. Ich arbeite auf einer Akutpsychiatrischen Station und habe sehr viel mit Patientinnen zu tun, die Opfer sexueller Gewalt wurden. Ich merke nur , dass sie trotz jahrelanger Therapie die Folgen nie völlig verarbeiten können.

    Reply
    1. Julie
      7 Jahren ago

      Danke Armita! Nochmal für deinen Kommentar und auch dafür, dass du mir gesagt hast, dass da was faul ist 😀 Hat mir sehr geholfen!

      Reply
      1. Armita
        7 Jahren ago

        Bitte julie. Kein Problem. Bin froh dass ich helfen konnte

        Reply

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