In Work & Study

Wenn der Job am Ego kratzt

Ich habe einen Job, bei dem ich tun kann, was ich liebe: Schreiben. Ich werde dafür bezahlt, Texte zu liefern, was eigentlich immer der Definition meines Traumjobs entsprach. Dass ich diesen Job neben meinen Studien machen kann, ist ein netter Nebeneffekt. Außerdem habe ich ungelogen die tollsten Kollegen der Welt – normalerweise gibt’s ja in so ziemlich jeder Firma irgendeinen Arsch (der blöderweise auch extrem häufig in der Rolle des Vorgesetzten zu finden ist). In meiner Firma gibt’s so einen Arsch nicht, hier verstehen sich alle und obwohl ich an sich zu den eher unsozialen Menschen gehöre, die sich mit niemandem so richtig abfinden können, mag ich alle meine Kollegen und meinen Chef. Eigentlich habe ich wirklich nichts zu meckern. Außer, dass mir mein Beruf in manchen Situationen sehr stark am Ego kratzt.

Ich war nie ein Mensch, der den Drang hat, sich hervorzutun. Ich glaube, der häufigste Satz, den sich meine Mutter an Elternsprechtagen von den Lehrern anhören konnte, war: „Ihre Tochter weiß so viel mehr, als sie sagt.“ Also mal abgesehen davon, dass ich sauviele Fehlstunden hatte und die Hälfte der Lehrer deshalb nicht mal wusste, dass sie mich überhaupt unterrichten. Jedenfalls war ich nie jemand, der sich im Mittelpunkt wohlgefühlt hat, weshalb ich mich in den meisten Fällen auch eher zurückhalte. Deshalb bin ich ja auch Schriftstellerin geworden, und keine Schauspielerin. Und meinen Beruf möchte ich keinesfalls gegen das Leben eines Extrovertierten eintauschen. Aber auch, oder vielleicht sogar gerade introvertierte Schriftstellerseelen brauchen Anerkennung. Und meine Anerkennung ist, dass mein Name unter Texten steht, die ich geschrieben habe. Deshalb unterschreibe ich auch alle meine Blogposts doppelt.

Wie die Menschen, die mich kennen, wissen, arbeite ich momentan nicht als Journalistin, auch wenn ich weiter über meinen ehemaligen und hoffentlich auch zukünftigen Beruf und die schönen und nicht so schönen Momente, die dadurch entstanden sind, blogge. Nein, mittlerweile arbeite ich nebenbei als Texterin. Im ersten Moment klingt es nicht nach großen Unterschieden. Schließlich schreibt man ja in beiden Berufen, oder?

Klar, aber da hören die Gemeinsamkeiten auch wieder auf. Beides hat Vor- und Nachteile. Die Vorteile als Texterin sind, dass alles viel weniger bürokratisch zugeht, dass ich durchaus aus dem Internet recherchieren kann und vor allem, halleluja, dass ich kein Telefon auf dem Schreibtisch stehen hab. Aber der größte Vorteil als Journalistin war, dass unter meinen Texten auch ganz offiziell mein Name stand. Das Gefühl, das es in mir ausgelöst hat, zum ersten Mal meinen Namen in einer Zeitschrift zu lesen, habe ich euch ja schon einmal zu beschreiben versucht, obwohl man es nicht wirklich in Worte fassen kann. Aber ich würde sagen, mein erster offiziell erschienener Artikel schafft es in die Top 5 der besten Momente meines Lebens. Als Texterin muss ich auf solche Momente komplett verzichten.

Es war mir nie wirklich klar, was es bedeutet, als Texterin zu arbeiten. Solange ich meine Texte nicht veröffentlicht sehe, ist es ja auch in Ordnung, schließlich weiß ich dann nicht, was genau damit passiert. Beziehungsweise war es bis zuletzt okay, als ich eine Website geöffnet habe und dort unverkennbar meinen Schreibstil entdeckte – und die Worte „Autor: Hermann Maier*“ darunter. * Name von der Redaktion geändert

Genauso wenig, wie ich die Freude über meinen ersten Artikel beschreiben kann, kann ich die Ernüchterung in Worte fassen, die auf diesen Moment folgte. Ich musste mir auf die Lippe beißen, um nicht zu weinen. Ich setzte mich auf meine Hände, um mich davon abzuhalten, Stifte gegen den Bildschirm zu werfen und den Computer anzuschreien, dass er kein Recht hätte, sich als Autor zu bezeichnen, wenn er es nicht mal auf die Reihe kriegt, selbst einen Text für seine eigene Website zu schreiben.

Ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nach diesem Ereignis mit derselben Motivation an die Arbeit gehen würde wie vorher. Ernüchterung macht sich seitdem in mir breit und bildet das Fundament für eine ernsthafte Sinnkrise. Ich frage mich: Wozu das Ganze? Wozu soll ich mich noch bemühen, das Beste aus meinen schriftstellerischen Fähigkeiten rauszuholen, wenn jemand anders meinen Text für seinen eigenen ausgibt? Ich frage mich: Lasse ich mich ausnutzen? Oder mache ich einfach nur meinen Job?

Eure sinnkrisengeplagte Julie,

Die mit dem roten Lippenstift

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3 Comments

  1. Egyptian Mau Blog
    7 Jahren ago

    Oh, das kommt mir sehr bekannt vor. Genau deswegen habe ich damals mit genau dieser Art von Texten abgeschlossen. xy Keywords so und so viele Wörter, klare Vorgaben. Man bemüht sich und dann erscheint der Text auf irgendeiner Website als Randnotiz.

    Das ist nicht gerade motivierend, mittlerweile betreue ich beruflich mehrere Unternehmensblogs ohne nähere textliche Vorgaben und führe (diesen) meinen Katzenblog privat als „Schreibwerkstatt“ und nur zum Spaß.

    Kann dir sagen, dass du auf längere Zeit nicht mit diesen Texten glücklich werden wirst, wenn du so empfindest, zumindest war es bei mir so.
    Das Honorar wird da irgendwann zur Nebensache.

    Wünsche dir viel Glück und Erfolg!

    LG Felix

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      7 Jahren ago

      Danke für deinen Kommentar, lieber Felix!
      Bin immer wieder froh, wenn ich merke, dass ich da nicht übertreibe. Ich kann mir ohnehin nicht vorstellen, das mein Leben lang zu machen. Aber so neben dem Studium passts schon 🙂
      Danke, ich wünsche dir weiterhin viel Freude mit deinem Blog!
      LG Julie

      Reply
      1. Egyptian Mau Blog
        7 Jahren ago

        Danke, Spaß & Freude wünsche ich dir ebenfalls 🙂

        Reply

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