In Personal

Social Media und Beziehungen

Eine Beziehung ist wie ein Penis. Dieser Satz mag, in Anbetracht der Tatsache, dass in den meisten Beziehungen mindestens einer davon vorhanden ist, etwas seltsam anmuten. Wenn man jedoch ein bisschen darüber nachdenkt, fällt einem auf, dass ein Penis und eine Beziehung tatsächlich einiges gemeinsam haben – wobei ich, um ehrlich zu sein, nicht glaube, dass darüber überhaupt jemand außer mir nachdenkt. Trotzdem bin ich der Meinung, dass diese Behauptung Hand und Fuß hat.

Mit einem Penis ist es so: Entweder man hat einen, oder eben nicht. Ähnlich verhält es sich mit Beziehungen, nur dass man diese Frage auch mit „Es ist kompliziert“ oder „Ich hab irgendwie schon eine, aber irgendwie auch nicht“ beantworten könnte. Manche Menschen sind zufrieden damit, entweder einen oder keinen Penis zu haben, manche würden sich einen wünschen, um die Vorteile davon genießen zu können, einige wenige wiederum würden ihr bestes Stück gerne loswerden. Soll heißen: Es gibt glückliche Singles, glücklich Vergebene, solche, die gerne vergeben wären und die, die es lieber nicht wären. Das ist alles vollkommen in Ordnung. Es ist total okay, einen Penis zu haben. Viele finden das bei sich selbst oder bei anderen Menschen sogar wünschenswert – zum Beispiel ich, wenn ich mir auf der Uni Partner für eine Gruppenarbeit suche. Aber egal, wie man zu seinem Penis (ob vorhanden oder nicht) steht, eines haben so ziemlich alle Menschen gemeinsam: Sie mögen es nicht, wenn ihnen ein Fremder mit seinem vor dem Gesicht herumwedelt oder ihnen ständig Dickpics schickt (wem dieser Ausdruck nichts sagt, dem sei dieses Video von Carolin Kebekus ans Herz gelegt).

Eigentlich wollte ich heute nicht über Penisse schreiben – und wenn man bedenkt, dass meine Eltern hier mitlesen, werde ich das auch weiterhin nicht tun. Aber dieser Vergleich fiel mir letztens ein, als ich, wie jeden Tag, durch meinen Feed bei Instagram gescrollt habe. Jeder, der meinen Blog aufmerksam mitverfolgt, weiß, dass mich mit Instagram eine kleine Hassliebe verbindet, wobei natürlich die Liebe überwiegt, sonst hätte ich die App schon längst gelöscht. Ich habe allerdings schon einmal ein paar Nervfaktoren angesprochen, unter anderem einen, der mich zwar auf der einen Seite ziemlich amüsiert, mir auf der anderen aber auch immer wieder ein fassungsloses Kopfschütteln entlockt: Diese Pärchen, die ihre Beziehung scheinbar nur für Instagram führen, beziehungsweise diese dort mit der halben Welt teilen.

Nur, damit sich jetzt niemand angegriffen fühlt, der hin und wieder mal ein Pärchenfoto mit seinen 200 Instagram-Followern teilt, von denen die Hälfte aus Freunden im echten Leben besteht: Ihr seid nicht gemeint. Kann ja auch jeder posten, was er will (nur halt bitte keine Dickpics, die will niemand sehen! Gilt übrigens genauso für weibliche Geschlechtsteile, die ich auch nicht ästhetischer finde). Mir fällt es nur häufig mal auf, dass – und ich spreche hier ausschließlich über größere Accounts – manche Menschen erschreckend wenig auf ihre eigene Privatsphäre und die ihrer Partner geben. Klar haben auch größere Accounts das Recht, ihr Glück zu teilen. Wenn jemand ab und an mal ein süßes gemeinsames Foto postet, wird sich garantiert niemand dran stören. Das kann man nämlich nicht mit einem Penis vergleichen, mit dem einem vor dem Gesicht herumgewedelt wird.

Was ich jedoch sehr wohl als befremdlich empfinde, sind diese Menschen, die sich erstens mal ständig (und damit meine ich mindestens einmal in der Woche oder öfter) mit ihrem Hasi/Mausi/Pupsi zusammen präsentieren und zweitens – und da liegt für mich der wahre Störfaktor – sich ausschweifend dazu äußern, warum ihr Schatz so perfekt ist.

Ich meine, natürlich freuen wir uns für alle Menschen, die eine schöne Beziehung haben. Habe ich ja selbst auch. Also falls sich jemand gefragt hat, ob ich eine dieser frustrierten Singles bin, die schon langsam von ihren Katzen gefressen werden: Nein, bin ich nicht. Schließlich bin ich allergisch gegen Katzen. Ich würde allerdings nie auf die Idee kommen, den 1200 Leuten, die mir auf Instagram folgen, ein tägliches Beziehungs-Update zu geben. Schon gar nicht, wenn derjenige, über den ich mich da so liebevoll äußere, die Lobeshymnen, die auf ihn gesungen werden, aufgrund eines akuten Instagrammangels nicht mitbekommt. Erstens kann er sich dann nicht mal drüber freuen, und zweitens kann er sich, was ich noch schlimmer finde, nicht mal dagegen wehren. Ich wüsste ja zu gerne, ob all die Hasis da draußen eigentlich wissen, was so auf sozialen Netzwerken über sie geschrieben wird.

„Mein Hasi stand plötzlich vor meiner Tür mit einem Strauß roter Rosen und hat mir gesagt, wie sehr er mich liebt!“ Wenn ich so etwas auf Instagram lese, kann ich nur den Kopf schütteln und mir denken: Mädel, du stellst dein Hasi damit auch ganz schön bloß. Und wofür? Damit du ein paar andere Mädels, die du nicht mal kennst, neidisch mit deinem perfekten Freund machen kannst. Ist es das denn wert?

Ich persönlich fände es jedenfalls nicht allzu geil, wenn ich irgendwie mitkriegen würde, dass mein Kerl irgendwo öffentlich im Netz „Meine Freundin ist voll gut im Bett“ schreiben würde – auch wenn es noch so wahr ist. Allerdings freue ich mich natürlich immer sehr darüber, wenn ich das von ihm persönlich zu hören kriege. Daher will ich auch ganz nach demselben Prinzip verfahren: Miteinander reden, statt übereinander. Wenn ich was gut finde, was er macht, sage ich ihm das (eventuell erzähle ich es noch ein oder zwei guten Freundinnen – was er natürlich weiß) und nicht meiner Instagram Community. Dass ich ihn lieb habe, sage ich ihm auch ins Gesicht. Ist ihm gegenüber, wie ich finde, deutlich fairer, und trägt auch mehr zu einer gesunden Beziehung bei, als wenn ich anderen, im übertragenen Sinne, mit meinem nicht vorhandenen Penis vor der Nase herumwedeln würde.

Eure Julie,

Die mit dem roten Lippenstift

Share Tweet Pin It +1

You may also like

Julie erklärt: Ironie

Posted on 13. März 2016

Previous Post5 Instagram-Typen und wie man sie erkennt
Next PostDie Entropie des Schreibens - 7 Tipps für einen guten Schreibfluss

8 Comments

  1. derhilden
    8 Jahren ago

    Da kann man dir nur zustimmen. Dafür würde ich den Begriff der Wissensprostitution, den ein Dozent bei uns geprägt hat, zur Glückliche-Beziehung-Führungsprostituion umwandeln. Ok, das klingt etwas sperrig, aber sollte klar werden. 😀

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Der Ausdruck gefällt mir, auch wenn ich ihn mir wahrscheinlich nicht merken werde 😀

      Reply
  2. lophornia
    8 Jahren ago

    „[…] eines haben so ziemlich alle Menschen gemeinsam: Sie mögen es nicht, wenn ihnen ein Fremder mit seinem vor dem Gesicht herumwedelt oder ihnen ständig Dickpics schickt […]“ Treffend und wahr. Ich habe sehr gelacht. Danke! 😀

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Hihi vielen Dank 😀

      Reply
  3. 1000schlechtedates
    8 Jahren ago

    Sehr gut geschrieben, ich musste sehr schmunzeln. Ich lese deinen Blog sehr gerne. Du schreibst immer sehr lebende und es macht Spaß ihn zu lesen ?

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Vielen Dank Christine, das freut mich total ?

      Reply
  4. Vivien
    7 Jahren ago

    Thema Nummer 1 und es wird niemals langweilig. Apropo… ???

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      7 Jahren ago

      Never ever wird das langweilig 😀

      Reply

Leave a Reply

Ich akzeptiere