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Lokaljournalismus vs. Magazinjournalismus: mein Fazit

Wenn mich jemand vor eineinhalb Jahren gefragt hätte, was mich mehr interessieren würde, Lokal- oder Magazinjournalismus, ich hätte meine Antwort wie aus der Pistole geschossen geben können. Selbstverständlich Magazinjournalismus. Schließlich sind Magazine viel cooler als die Info, dass im Nachbarsdorf eine Kuh umgefallen ist. Nachdem wir aber jetzt nicht mehr das Jahr 2015 schreiben, sondern mittlerweile in 2017 angekommen sind und ich in beide Bereiche reinschnuppern durfte, ist es nun für mich an der Zeit, mein Fazit zu ziehen.

Die Arbeitsstrukturen

Natürlich kann das auch eine Frage der Betriebe, in denen ich gearbeitet habe, sein, keine Frage. Aber ich gebe hier auch nur meine Erfahrungen wider. Mein Job im Magazinbereich war ein klassischer 9-to-5 Job. Man musste täglich seine acht Stunden absitzen, egal, ob es was zu tun gab, oder nicht. Und wenn man dann vier Stunden täglich auf Facebook verbracht hat, war das halt so. Die Stechuhr interessiert das ja nicht.

Umso überraschter war ich an meinem ersten Tag bei der Lokalzeitung, als der Redaktionsleiter zu Mittag zu mir sagte: „Wenn du nichts zu tun hast, kannst du ruhig gehen. Wenn du hier gelangweilt rumsitzt, bringt’s niemandem was.“ Ich war mir anfangs nicht sicher, ob das ironisch gemeint war. Doch irgendwann sagte er zu mir: „Wenn du jeden Tag von 9 bis 5 hier drin sitzen musst, sag mir mal, wie da Kreativität aufkommen soll. Mir ist es lieber, ihr liegt den halben Tag am Baggersee und kriegt zumindest gegen Abend ein schlechtes Gewissen als dass ihr hier den ganzen Tag eure Stunden absitzt und euch langweilt.“

In diesem Punkt hat für mich der Lokaljournalismus also ganz klar die Nase vorn.

Die Arbeitsweise

Im Magazinbereich läuft es meist so ab: Man bekommt einen Auftrag oder eine Geschichte zugeteilt, hat eine Ansprechperson, die man kontaktieren muss. Die meldet sich meist nicht und man muss warten, warten, warten. Dann, wenn sie endlich mal zurückrufen, führt man ein Interview, schreibt danach den Text und lässt ihn freigeben. Heißt also, man wartet wieder. Dann wird der Text überarbeitet und peinlich genau auf Wortwiederholungen oder Ähnliches überprüft. Und wieder zur Freigabe geschickt. Und wieder wird gewartet.

Im Lokalbereich ist man viel auf Pressekonferenzen unterwegs. Man trifft öfter mal dieselben Leute und baut sich ein nettes Netzwerk auf. Nach zwei Monaten kam ich immer wieder mal zu Veranstaltungen, an denen ich verschiedene Journalisten traf, mit denen ich schon mal zu tun hatte und mich mit ihnen unterhalten konnte. Bei manchen Veranstaltungen sind die Leute total nett und freuen sich, dass man da ist. Da wird man auch schon mal auf einen Kaffee eingeladen. Als ich jemanden über meine erste Story lesen lassen wollte, wurde mir nur gesagt: „Drucks einfach aus und legs ins Lektorat. Du machst das schon richtig.“ Danke fürs Vertrauen! Gefällt mir!

Außerdem konnte ich in diesem Bereich eigene Ideen einbringen und dann coole Stories draus machen, oder auch mal kritischere Texte schreiben und den Landeshauptmann mit einem nicht ganz vorteilhaften Zitat in die Pfanne hauen. Ich musste ja nichts freigeben lassen.

Die Stimmung

Wenn man an Magazinjournalismus denkt, denkt man vor allem an stylische, quirlige Menschen, die in der Redaktion herumwirbeln und alle mit ihrer Energie und guten Laune anstecken. War bei mir leider ganz anders. Jeder kam in die Redaktion, grüßte freundlich und widmete sich seiner Arbeit. Geredet wurde selten bis gar nicht und wenn, dann nur in der Kaffeeküche. Jeder saß mit seinen Kopfhörern da und es fehlte nur noch ein Grillenzirpen. Zum Mittagessen ging man auch isoliert und in der Redaktion durfte man nicht essen. Ich habe in dieser Zeit sicher vier Kilo abgenommen.

Umso positiver war ich von der Stimmung bei der Lokalzeitung überrascht. Da ich meine Arbeitskollegin Sara schon aus gemeinsamen Lektoratszeiten kannte, wusste ich, dass ich schon mal jemanden kenne. Und da Sara ein lauter, aufgedrehter Mensch ist, war es in der Redaktion auch selten ruhig. Man trank oft einen Kaffee oder Tee zusammen, quatschte und verarschte sich gegenseitig. Auch, wenn es natürlich nicht immer so nett zuging und ich eigentlich viel Ruhe brauche, war diese Stimmung für mich deutlich angenehmer.

Wenn ich eines bei meinen zwei Ausflügen in die verschiedenen Journalismusbereiche gelernt habe, dann, dass man auf keinen Fall Vorurteile haben sollte. Ich wollte immer im Magazinbereich arbeiten und habe mich darin an meinen besten Tagen noch so gelangweilt, wie ich es in den ganzen zwei Monaten bei der Lokalzeitung nicht getan habe. Außerdem habe ich gelernt, dass ich definitiv keine gänzlich introvertierte Welt möchte, sondern, dass die beiden Charaktere super zusammenarbeiten können und sich damit toll ergänzen.

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2 Comments

  1. derhilden
    7 Jahren ago

    Vielen Dank für diesen interessanten Erfahrungsbericht. Mein Wissen um die Arbeitsweise im Journalismus ist ja eher überschaubar, aber auch ich hätte spontan die Vorstellung gehabt, dass Magazinjournalismus etwas spektakulärer ist.
    Dein Einblick in den Lokaljournalismus hinterlässt aber eineb sehr sympathischen Eindruck von dem Arbeitsklima dort.

    Mal eine Frage an dich als Expertin: Ist es realistisch, dass Zeitungen Artikeln von Externen veröffentlichen, wenn man nett fragt, ob man einfach mal etwas für die Zeitung schreiben wolle und dafür nur seinen Nen abgedruckt sehen will? 😀

    Reply
    1. Julie
      7 Jahren ago

      Danke für den lieben Kommentar! Ich hätte das auch gedacht und war dann auch eher enttäuscht 😀
      Und ja klar ist das realistisch, wenn du ihnen ein cooles Thema vorschlägst und eventuell auch Fotos liefern kannst. Kommt aber auch immer auf die Zeitung an. Bei Magazinen geht das aber in der Regel ganz gut 🙂

      Reply

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