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Eine Ode an den Herbst – 7 Tage, 7 Stories

eine herbstlandschaft

Der Herbst hat begonnen und ich bin mir, wie jedes Jahr, nicht sicher, ob ich mich auf das freue, was er bringt, oder ob ich noch eine Weile um den wie jedes Jahr viel zu kurzen Sommer trauern soll. Damit ich ein bisschen positive Stimmung in den Herbst bringen kann, kam mir letzte Woche spontan eine Idee, die ich auf meiner Facebookseite schon geheimnisvoll angekündigt habe: Zusammen mit Kat von Seven&Stories habe ich eine herbstliche Schreibchallenge geplant: Das Projekt „7 Tage, 7 Stories“ – man beachte, wie perfekt der Name zu Kathis Blognamen passt 😉 Eigentlich wollte ich mich nur selbst ein bisschen herausfordern und schauen, ob ich es schaffe, eine Woche lang jeden Tag eine Kurzgeschichte zu schreiben. Weil sich aber so ziemlich alles besser mit einem passenden Partner in Crime bewältigen lässt, habe ich Kathi gefragt, ob sie Lust hätte mitzumachen. Sie war sofort Feuer und Flamme und wir haben gemeinsam Ideen für Themen gesucht, die dann aber eigentlich alle von ihr kamen. Nun steht jeder Tag unter einem bestimmten Stichwort und wir freuen uns sehr darauf, euch diese Woche jeden Tag eine Kurzgeschichte zu diesen Themen präsentieren zu dürfen.

Dabei ist Mitmachen nicht nur erlaubt, sondern ausdrücklich erwünscht! Wenn ihr dabei sein möchtet, veröffentlicht einfach eine Geschichte passend zum Thema auf euren Blogs und verlinkt uns eure Beiträge in den Kommentaren, schickt sie uns per Mail oder über Facebook und wir verlinken sie unter unseren. Wer nicht jeden Tag eine Geschichte schreiben kann oder möchte, kann natürlich auch nur tageweise mitmachen. Wir freuen uns über jeden Beitrag zu unserer kleinen Herbst-Challenge!

Das sind die Themen, die uns diese Woche begleiten werden:

Montag: Herbsterinnerung
Dienstag: Waldspaziergang
Mittwoch: Die Farbe Rot
Donnerstag: 
Blätter
Freitag: 
Der Buchstabe H (dabei kann der Protagonist Harald heißen, die Story kann in Hintertupfing spielen oder sich um Holzblockflöten drehen – ganz egal. Ihr macht einfach euer Ding draus!)
Samstag: 
Sonnenuntergang
Sonntag: 
Cozy Sunday

Was aus den einzelnen Stichworten gemacht wird und wie sie zu einer Geschichte verarbeitet werden, ist jedem selbst überlassen. Auch Genre, Erzählform und Perspektive können frei gewählt werden.

Ich bin jetzt einfach so frei und mache den Anfang mit meiner liebsten Erinnerung an den Herbst. Viel Spaß beim Lesen!

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Lange habe ich nicht verstanden, wie man sich über den Herbst freuen kann. Als Sommermensch mit Leib und Seele war es mir immer unbegreiflich, wie andere darüber frohlocken können, dass man die Sommerkleider wieder gegen lange Hosen und Jacken tauschen muss und wieder anfängt, Tee statt Aperol Spritz zu trinken. Ja, ich habe ein sehr zwiegespaltenes Verhältnis zum Herbst, der einerseits die Blätter so schön rot verfärbt und die Weihnachtszeit näher bringt, aber andererseits dafür sorgt, dass man nicht mehr ewig draußen sitzen und die Natur oder das pulsierende Stadtleben um sich herum genießen kann. Daher fällt es mir auch jedes Jahr aufs Neue schwer, diese Jahreszeit willkommen zu heißen.

Das alles änderte sich an diesem einen Tag. Es war der 9. September 2013 – der erste Schultag nach den Sommerferien. Dieser Fakt war eigentlich schon Grund genug, meine alljährlich einsetzenden Winterdepressionen schon drei Monate vorher zu begrüßen, doch in diesem Jahr machte es mir nichts aus, denn es war der letzte Herbst, den ich in dieser Schule verbringen würde. Ich war hin und hergerissen zwischen Aufregung, Angst und Zuversicht. Als ich an diesem Tag die mir so verhasste Schule betrat, überwog jedoch das Hochgefühl.

„Das ist dein letzter erster Schultag“, sagte ich mir selbst, als ich das Auto auf dem Schulparkplatz abstellte und mir selbst Mut zusprach – ein Ritual, das sich über Jahre hinweg eingebürgert hatte. Dieses Jahr sollte alles anders werden. Ich war im Endspurt. Nur noch dieses eine Jahr und dann war der schlimmste Teil meines Lebens endlich überstanden und ich würde im Sommer aus diesem hässlichen Gebäude rausgehen, mein Zeugnis in der Hand halten und mit hoch erhobenem Mittelfinger von dannen schreiten.

Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass ich zu früh dran war. Normalerweise war Pünktlichkeit nicht gerade meine Stärke, aber am ersten Schultag war sie essenziell, damit ich mir einen Platz in der letzten Reihe sichern konnte. Dennoch hatte ich noch so viel Zeit, dass ich mich dazu entschloss, mich nochmal zurückzulehnen und mein Lieblingslied zu hören: Wake Me Up When September Ends von Green Day. Jedes Jahr, wenn das Schuljahr aufs Neue losging, konnte ich kaum ein anderes Lied hören, weil es einfach immer wieder zu passen schien. Ich lehnte mich zurück, schloss die Augen und sang leise mit.

Dabei versuchte ich, alle Gedanken an das kommende Schuljahr auszublenden. Die Zeit neigte sich dem Ende zu, ich war kurz davor, alles hinter mir zu lassen. Ich hatte noch eine Chance und die würde ich dafür nutzen, nochmal das Beste aus allem zu machen. Ich würde ein gutes Zeugnis hinlegen, mich schon irgendwie mit meinen Mitschülerinnen vertragen und vielleicht dieses Jahr mal meiner Klassenlehrerin beweisen, dass ich nicht die „Krankheit in Person“ war, wie sie mich aufgrund meiner stets hohen Fehlstundenanzahl, die ich Jahr für Jahr übertraf, immer nannte.

Je näher mein Lieblingssong seinem Ende kam, umso fester klammerte ich mich ans Lenkrad in der Hoffnung, so die Zeit anhalten und diesen Moment hinauszögern zu können. Ich biss mir auf die Lippe, um nicht zu weinen. Auch das war eine Gewohnheit, die ich nur schwer abstellen konnte. Die Schule löste in mir einfach dieses Gefühl aus, gleichzeitig weinen und mich übergeben zu wollen. Trotz des Wunderbaums in meinem Auto hatte ich den charakteristischen Geruch dieser Schule in der Nase. Selbst jetzt, Jahre später, kann ich ihn immer noch wie auf Knopfdruck reproduzieren.

Nächstes Jahr um diese Zeit würde alles anders werden, sagte ich mir. Es war ein Versprechen, das ich mir selber gab und ich wäre wohl lieber gestorben als es zu brechen. Nächstes Jahr um diese Zeit würde ich das Auto nicht mehr hier auf dem Parkplatz abstellen und mir die Ohren zuhalten, um das Geschrei der Kinder von meinem Trommelfell fernzuhalten. Denn nächstes Jahr um diese Zeit würde ich nicht hier stehen und mich dazu überwinden müssen, ein weiteres Jahr in der Hölle zu verbringen. Nächstes Jahr um diese Zeit hätte ich endlich die Chance auf ein glückliches Leben.

Der letzte Ton erklang und es wurde Zeit. Ich drehte das Radio ab, checkte die Uhrzeit und sammelte meine Sachen umständlich zusammen, wobei ich mir mehr Zeit ließ, als wahrscheinlich nötig gewesen wäre. Im Rückspiegel konnte ich meine Deutschlehrerin erkennen. Ich hatte sie immer gemocht, auch wenn sie mir jedes Jahr aufs Neue dasselbe sagte: „Julia, du bist begabt, aber du solltest wirklich mehr mitarbeiten und dich im Unterricht einbringen!“

Ich grinste. Sie tat mir ja irgendwie auch leid. Sie machte sich jedes Jahr Hoffnungen, dass ich mich auch mal mehr einbrachte, und wurde immer wieder von mir enttäuscht. Aber was sollte ich machen? Menschen handeln nun mal ungern gegen ihre Natur. Da bin ich keine Ausnahme.

Nun war es wirklich an der Zeit. Es war dreiviertel acht, wahrscheinlich würden die Klassen bald aufgesperrt werden und der Kampf um die besten Plätze begann. Und ich wollte nicht verlieren. Ich stieg aus dem Auto und musste die Tür nicht zuwerfen, weil das der Wind für mich übernahm. Dabei raschelten ein paar Blätter um mich herum und übertönten für einen Moment sogar das Kindergeschrei. Ich atmete tief ein und genoss den Herbstwind, der sich nicht entscheiden konnte, ob er lieber warm oder kalt sein wollte. Ein paar Blätter fielen von den Bäumen. Sie machten sich bereit für den Winter, um danach in voller Pracht erstrahlen zu können. Sie waren wie ich. Auch ich war bereit für Neues. In diesem Moment machte sich nur mehr ein einziges Gefühl in mir breit: Hoffnung. In diesem Jahr stand der Herbst nicht für Traurigkeit, weil der heißgeliebte Sommer vorbei war. Er stand für die Chance auf einen Neuanfang. Und diese Chance würde ich nicht ungenutzt verstreichen lassen.

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Wie gefällt euch unsere kleine Schreibchallenge? Habt ihr Lust, mitzumachen? Wenn ja, haut kräftig in die Tasten, wir freuen uns über jeden Beitrag!

Die anderen Beiträge zum Thema findet ihr hier:

Schaut gerne mal vorbei!

Eure Julie,

Die mit dem roten Lippenstift

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4 Comments

  1. Vroni
    6 Jahren ago

    Liebe Julie,
    Ich finde deinen Beitrag zum heutigen Thema sehr treffend und mag deinen Schreibstil nach wie vor sehr gerne! 🙂
    Schon jetzt bin ich gespannt, was die nächsten Tage noch bringen werden! Aber ich weiß, dass dies mit euch beiden eine wirklich feine Challenge wird. 😉
    Alles Liebe,
    Vroni <3

    Reply
    1. Julie
      6 Jahren ago

      Danke liebe Vroni! Ich freue mich, dass dir der Beitrag gefällt und freue mich, dass du dabei bist! Das werden coole Tage ?
      LG Julie

      Reply
  2. 7 Tage 7 Stories | Kurzgeschichten im Herbst #1 – Aus dem Leben eines Foodies
    6 Jahren ago

    […] den verlinkten Seiten findet ihr Julies und Kats Beiträge! Lest hier auf jeden Fall rein und hinterlasst gerne einen Kommentar! Ich bin […]

    Reply
  3. Kat
    6 Jahren ago

    Oh einfach wundervoll, Julchen. 🙂 Ich kenne das Gefühl sooooo gut, denn ich wollte auch nie in die Schule gehen.
    Danke, dass ich Teil dieses Projektes sein darf. Es ist wundervoll so viel Motivation und Inspiration zu haben. <3

    Wishes, Kat
    http://sevenandstories.net/

    Reply

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