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Die Entropie des Schreibens – 7 Tipps für einen guten Schreibfluss

Ich sitze vor meinem Laptop, habe ein frisches Word Dokument geöffnet. So weiß und unbeschrieben sieht es richtig unschuldig aus, fast schon steril. Wer sich einmal in mein Zimmer gewagt hat, weiß, wie sehr ich zu viel Ordnung verabscheue. Da bin ich übrigens nicht die Einzige. Es gibt sogar ein Naturgesetz, das besagt, dass sich das Chaos stets von allein vergrößert. Das Ganze nennt sich Entropie und die ist mir nicht nur deshalb sympathisch, weil ich somit eine Ausrede für meine Faulheit beim Aufräumen habe, sondern auch, weil mir dieser Punkt eine halbwegs gute Note in meinem Hassfach Chemie beschert hat. Mit Entropie hatte ich Erfahrung, da konnte ich immer gut punkten. Statt „Mama, ich habe deine Vase kaputt gemacht“ sagte ich fortan „Mama, ich habe die Entropie deiner Vase erhöht.“ Schon war meine arme Mama verwirrt und hatte die Vase komplett vergessen.Und ich war aus dem Schneider.

Natürlich will ich nicht über Blumenvasen reden. Nein, ich schreibe heute über das Schreiben. Mein größtes Hobby und leider auch einer meiner größten Feinde, wenn es mal nicht klappt. Mit der Entropie ist das zwar in der Natur (oder auch im eigenen Zimmer) ganz einfach: Sie erhöht sich einfach, ohne dass man wirklich etwas dafür tut. Das metaphorische Pendant dazu ist das Schreiben. Auch bei meiner Lieblingsbeschäftigung kann dieses Phänomen auftreten. Ich rede nicht davon, dass ich beim Schreiben aus Versehen meine Teetasse umstoße – wobei das natürlich auch schon passiert ist. Aber es gibt dieses Phänomen, das sich Schreibfluss nennt. Der Schreibfluss besucht mich momentan leider relativ selten, was an einem akuten Mangel an Ideen liegt, der hoffentlich nicht chronisch wird. Bei diesem Schreibfluss verwandelt sich dieses frische weiße Blatt, das man nach dem Öffnen auf dem Computer sieht, ganz schnell in ein schwarz-weißes Kunstwerk aus Worten. Scheinbar ohne etwas dafür zu tun, hat man eine ganze Seite vollgeschrieben. Es passiert einfach so und man kann, und will, nichts tun, um es aufzuhalten. Man erhöht die Entropie des weißen Blattes, indem man schwarze Striche hinzufügt, die für unsere geschulten, gebildeten Augen sinnvolle Buchstaben, Worte und Sätze ergeben, an denen wir uns nachher beim Durchlesen erfreuen.

In dem Moment, in welchem ich diese Worte schreibe, wird mir bewusst, wie wundervoll dieser Zustand ist. Vielleicht auch, weil ich gerade selber wieder in diesen kleinen Rausch verfallen bin, der so viel besser ist als der Zustand, der durch zu viel Alkohol hervorgerufen wird. Man teilt sich genauso ungehemmt mit, aber ohne das nervige Schwindelgefühl und die schrägen Tänze. Ich glaube, jeder leidenschaftliche Schriftsteller (Frauen sind natürlich auch angesprochen, für die politisch ganz Korrekten) wird mir zustimmen, dass es kaum ein schöneres Gefühl gibt, als wenn sich die Seiten komplett ohne nachzudenken füllen. Die Finger rasen über die Tastatur, hämmern auf die Tasten ein und lassen eine schwarze Spur aus Buchstaben auf dem Blatt zurück. Man hört die regelmäßigen, klappernden Geräusche der Tastatur und nimmt in diesem Moment keine anderen Klänge wahr, weil sie das Melodischste sind, was sich Schriftstellerohren vorstellen können. Liebe Musiker, bitte steinigt mich nicht, aber dieses Klacken auf den Tasten meines Laptops ist für mich schöner als die wundervollste Klaviersonate. Sobald ich beim Schreiben Musik anhabe, wird die Entropie meines Schriftstücks ein wenig gehemmt und kann sich nicht mehr so ausbreiten, wie sie es gemäß ihres Naturells gerne würde. Außer bei Tokio Hotel, da funktioniert’s.

Das Gegenteil zu meinem geliebten Schreibfluss ist die allseits verhasste Schreibblockade, über die ich mich hier ebenfalls schon mal beklagt habe. Schreibblockaden sind die größten Feinde der Schreiberlinge. Sie treten ganz unvermittelt auf, oftmals sogar mitten im Satz und lassen einen mit einer halb fertigen Kurzgeschichte oder einem gar nicht erst beschriebenen leeren Blatt zurück. Wenn man nicht mehr schreiben kann, ist das ein Gefühl, als würde man durch die Wüste laufen und plötzlich im Treibsand stecken bleiben. Die Blockade frisst einen auf und man versucht, ihr zu entkommen, aber es geht nicht. Man kommt nicht vor und nicht zurück, egal, wie sehr man es versucht. In diesem Moment ist die Natur außer Kraft gesetzt, die Unordnung kann sich nicht mehr steigern, alles ist wie eingefroren. Man resigniert und fühlt sich wie ein Versager, weil man schon wieder nicht produktiv war.

Jede Schreibblockade löst ein Gefühl der Hilflosigkeit aus. Man hat das Gefühl, man könne ihr nicht entkommen, wodurch man wiederum in Stress verfällt, der sich auf die Blockade wiederum förderlich auswirkt (Stichwort Entropie und so). Was kann man also tun, um gut im Schreibfluss zu bleiben? Ich hab mal ein bisschen hin und her überlegt, auch für mich selbst, damit ich mich in Zukunft wieder öfter diesem wundervollen Zustand hingeben kann und wieder so produktiv werde, wie ich einst war. Ich hoffe, für euch ist auch der eine oder andere nützliche Tipp dabei.

Meine persönlichen Helfer für einen guten Schreibfluss:

  • Das Schreiben nicht verlernen! Ein Punkt, der viel Disziplin verlangt, aber meiner Meinung nach der wichtigste ist. Man kann beim Schreiben, wie ich selber schmerzvoll erfahren musste, nicht einfach einen Monat Pause machen und dann wieder an die ursprünglichen Zustände anknüpfen. Also schaut, dass ihr regelmäßig schreibt, und wenn es nur Kurzgeschichten oder Tagebucheinträge sind!
  • Störfaktoren eliminieren! Schaltet euer Handy aus oder macht es zumindest lautlos und legt es weg. Surft nebenbei nicht im Internet. Nichts raubt euch eure Konzentration so sehr wie das eigene Smartphone.
  • Wenn es doch einmal zu einer Blockade kommt, macht euch keinen zusätzlichen Stress, indem ihr euch deswegen fertigmacht. Legt einfach eine Pause ein, geht ein paar Schritte, esst was Leckeres oder lest was, vielleicht schenkt euch das die nötige Inspiration.
  • Musik beim Schreiben ist eine Geschmackssache. Ich persönlich komme viel schwerer in einen Schreibfluss, wenn dabei der lauteste Metal durchs Zimmer dröhnt, deshalb habe ich es lieber ruhig. Hier gilt es, auszuprobieren, was euch besser gefällt.
  • Wenn ihr bei der Einleitung hängt, fangt einfach mal beim Mittelteil an zu schreiben und kümmert euch später um den Anfang. Aller Anfang ist schwer, lasst euch davon nicht den Spaß am Schreiben rauben. Ich schreibe auch die Überschriften zu meinen Artikeln stets als letztes.
  • Mir persönlich hilft Bewegung auch immer ganz gut. Mal zwischendurch ein Tänzchen zum Lieblingssong hinlegen, auf einen Boxsack (oder ein umfunktioniertes Kissen) einprügeln oder einfach nur ein paar Dehnübungen regen den Blutfluss und damit auch die Hirnleistung an.
  • Bleibt beim Schreiben ganz ihr selbst und bleibt eurem Stil treu. Manche schreiben lieber mit viel Pathos, anderen gehen ironische Wortspielereien leichter von der Hand. Das ist beides toll! Neue Stile auszuprobieren, kann auch eine super Erfahrung sein, aber wenn euch ein Schreibstil nicht liegt, versucht auch nicht krampfhaft, ihn euch anzueignen. Das versaut euch den Spaß an der Sache und flüssig lesen lässt sich’s meist auch nicht.

Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig aus der Seele sprechen. Wenn ihr auch wertvolle Tipps gegen Blockaden habt, lasst mir gerne einen Kommentar da, ich freue mich über jeden guten Rat.

Eure Julie,

Die mit dem roten Lippenstift

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13 Comments

  1. derhilden
    8 Jahren ago

    Daaanke für die Tipps! 😀 Ich saß gerade auch vor einem leeren WordPressartikel und wusste nicht, wie ich anfangen soll. ._. Übrigens ein einfacher und doch genialer Trick, einfach in der Mitte zu beginnen. So einfach, dass ich darauf nie gekommen bin.

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Gerne ich hoffe da war was für dich dabei 🙂 ja es ist eigentlich echt einfach aber ich muss sagen ich hab damit selber so meine Probleme weil ich immer alles von Anfang bis Ende durchziehen will 😀 danke für deinen Kommentar 🙂

      Reply
  2. Sylvia Kling
    8 Jahren ago

    Ich kann fast alles unterschreiben! Eines kann noch hilfreich sein: Lesen oder einen guten Film sehen. Dort können auch Inspirationen herkommen. Manchmal reicht ein Wort, ein Satz, ein Bild.
    Oder auch das Spielen oder Beschäftigen mit dem Kind. Kinder sind unbefangen und frei. Sie lösen u. U. etwas Druck auf. Aber das muss jeder selbst testen.
    Ich wünsche Dir gute Idden!

    Herzliche Grüße

    Sylvia

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Hmm Kinder hab ich nicht und vor denen hab ich auch Angst also den Tipp werd ich nicht ausprobieren können, aber wenns dir hilft ist das toll 🙂
      Danke für deinen Kommentar 🙂
      LG Julie

      Reply
      1. Sylvia Kling
        8 Jahren ago

        Das können dann ggf. jene testen, die welche haben. Es werden doch sicher einige Deinen Beitrag lesen. 😉
        LG

        Reply
        1. diemitdemrotenlippenstift
          8 Jahren ago

          Ich hoffe es doch 😉
          LG

          Reply
      2. Mein Name sei MAMA
        8 Jahren ago

        Aber du brauchst doch keine Angst zu haben vor Kindern 😉 Wer z.B. Katzen hat, den können Kinder auch nicht mehr wirklich schrecken, außer vielleicht, dass sie peinliche Dinge über dich in aller Öffentlichkeit sagen können, das kommt bei Katzen eher nicht vor.
        Also wie gesagt – keine Panik vor den Kindern.
        Huch, ich muss jetzt schnell weg, meine kommen gerade ins Zimmer – AAAAAAHHH!!!

        Reply
        1. diemitdemrotenlippenstift
          8 Jahren ago

          Ich hab auch Angst vor Katzen, so is es nicht ? die mögen mich einfach nicht. Ist das gleiche mit Kindern ? da es aber in beiden Fällen ziemlich auf Gegenseitigkeit beruht passt das auch ?
          Lauf weg solange du noch kannst 😀

          Reply
          1. Mein Name sei MAMA
            8 Jahren ago

            Oh! Ein schwieriger Fall. Mag keine Katzen und keine Kinder. Vielleicht Hunde? Aber Hunde und Kinder, das sind wirklich zwei völlig unterschiedliche Sachen: die einen lassen sich erziehen, lieben ihre Welpenschule, folgen auf’s Wort und freuen sich über das, was man ihnen zum Essen gibt und die anderen bringen die ärgsten Worte vom Kindergarten mit nach Hause!
            Ich glaube übrigens, dass Schildkröten inspirierend sein müssten. Während man ihnen zusieht, fällt das eigene Hirn angesichts der fehlenden Schnelligkeit von Bewegungen, in eine Art Trance-Zustand und daraus entspringen dann sicherlich ganz außergewöhnliche Gedankengänge. Ich würde es die Turtle-Watch-Inspiration-Thought-Trail-Experience-Reality, kurz TWITTER nennen 😉

          2. diemitdemrotenlippenstift
            8 Jahren ago

            Ja Hunde liebe ich 😀 über Schildkröten habe ich so noch nie nachgedacht, aber schön, dass ich jetz weiß, wofür Twitter steht 😉

          3. Mein Name sei MAMA
            8 Jahren ago

            Oh, gerade gesehen, dass der Name Twitter schon vergeben ist.

  3. waltraudswelt
    8 Jahren ago

    Bei mir klemmts, wenns klemmt. Da hilft nix. Kein Laufen, kein Ablenken, kein Aufräumen. Das Einzige, das hilft, ist, über die Stelle drüber zu kommen. Wenn mir partout nichts einfällt, auch nicht als Platzhalter, dann schreibe ich mit Textmarker (in Word) markiert in die nächsten Zeilen, was noch zu schreiben wäre, ganz grob. Und dann mache ich mit der nächsten Szene „normal“ weiter. In nem anderen Setting läufts dann meist wieder fluffig.
    Bis ich wieder an die Stelle komme, wo es gehakt hat, vergeht einige Zeit und wenn ich dann beim Korrekturlesen da wieder angekommen bin, weiß ich ja schon, wie es weitergeht, und kann dann entweder die „fehlende“ Stelle füllen, oder eben auslassen und nur ne Überleitung zur nächsten schreiben.

    Reply
    1. diemitdemrotenlippenstift
      8 Jahren ago

      Danke für deinen Kommentar 🙂 ich kann mir gut vorstellen, dass das hilfreich ist 🙂
      LG Julie

      Reply

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